[PC, Xbox, PS2] Fahrenheit

  • Was passiert, wenn Filme und Videospiele miteinander verschmelzen? Dieser Frage ist das Entwicklerstudio Quantic Dream auf den Grund gegangen und hat ein Adventure mit unüblicher Erzählform entwickelt. Dieses sollte noch Jahre später das Storytelling in Videospielen grundlegend verändern. Herausgekommen bei der Umsetzung dieses originellen Spielkonzepts ist Fahrenheit, welches euch eine skurrile Geschichte im düsteren New York City erzählt.


    Jagen und gejagt werden
    Ungewöhnliche Kälte macht sich in New York breit. Die Straßen sind von Schnee bedeckt und stetig fallende Temperaturen machen es fast schon unerträglich sich draußen aufzuhalten. Eine filmisch inszenierte Kamerafahrt führt euch durch die Stadt direkt in die Toilette eines Schnellrestaurants. Lucas Kane, Informatiker bei einer New Yorker Bank, befindet sich in einer Art Trance als er in diesem Moment eine grausame Tat begeht und eine Person kaltblütig ermordet. Blutverschmiert, mit einem Messer in der Hand und eingeritzten Zeichen auf seinem Arm wacht Lucas kniend über der Leiche auf. Es folgt ein Perspektivenwechsel und ihr seht wie ein Polizist am Tresen des Restaurants sitzt. Im nächsten Augenblick übernimmt ihr die Rolle von Lucas und müsst unter Zeitdruck den Tatort – ohne jeglichen Verdacht zu erwecken – verlassen. In einem Splitscreen seht ihr zwei Handlungsstränge parallel ablaufen: Das Entkommen aus dem Restaurant als Täter sowie das Auffinden der Leiche durch den Polizisten. Im Anschluss darauf übernimmt ihr die Rolle zweier Polizisten namens Carla und Tyler und müsst den Tatort sichern, Beweisstücke sammeln sowie Befragungen durchführen. Ihr spielt gegen euch selbst. Ihr seid Jäger und Gejagter. Und in beiden Fällen stellt sich euch trotzdem die selbe Frage: Was hat es mit diesem kuriosen Mordfall auf sich?


    That's the end of my story...
    Bereits das Intro mitsamt spielerischen Anteil macht deutlich, dass die Entwickler kein herkömmliches Adventure mit bekannten Spielkonzepten entwickeln wollten. Vielmehr erinnert das gesamte Spielerlebnis an einen Film, in dem man interaktiv eingreifen kann und darüber entscheidet, was als nächstes passieren soll. Wie bereits erwähnt, schlüpft ihr dabei unter die Haut der drei genannten Akteure und verfolgt einen gewissen Handlungsstrang mit. In der Rolle von Lucas Kane versucht ihr herauszufinden, was es mit der mysteriösen Trance und dem widerwilligen Mordschlag auf sich hatte, wohingegen ihr als einer der beiden Polizeiangestellten Beweise sammelt und den Täter – also euch selbst – sucht. Dabei überschneiden sich oftmals gewisse Handlungen, sodass ihr beispielsweise zwei Perspektiven zur gleichen Zeit zu sehen bekommt, ähnlich wie es bereits in der Anfangsszene zu sehen war. Auf geteiltem Bildschirm werden somit alle Perspektiven der handelnden Personen dargestellt. An dieser Stelle fallen sofort Einflüsse aus bekannten Filmen und Serien wie beispielsweise 24 auf, welche einen vergleichbaren Effekt nutzen, um mehrere Handlungen parallel zu zeigen. Besonders auffallend sind zudem die einzelnen Zwischensequenzen, die durch eine abwechslungsreiche Kameraführung in Szene gesetzt werden. Die unterschiedlichen Kameraeinstellungen reichen hierbei von Nahaufnahmen bis hin zu langen Kamerafahrten. Auch hier merkt man den Entwicklern die Inspiration durch Film und Fernsehen an. Die stimmig inszenierten Cutscenes gepaart mit den visuellen Effekten zur gleichzeitigen Darstellung mehrerer Perspektiven vermitteln euch das Gefühl, tatsächlich einen Film mitzuerleben. Dieses wird ebenfalls durch das unübliche Spielkonzept hervorgehoben: Durch interaktives Eingreifen ins Geschehen löst ihr bestimmte Ereignisse aus, welche sich entsprechend eurer Entscheidungen unterschiedlich auswirken. Klassische Rätsel, wie man es von typischen Adventures gewohnt ist, gibt es in dieser Hinsicht nicht. Dementsprechend habt ihr auch nicht die Möglichkeit auf ein Inventar zuzugreifen, Gegenstände auszuwählen, diese zu kombinieren oder ähnliches. Die Steuerung verläuft hierbei fast ausschließlich über die beiden Analogsticks eures Controllers. Anhand einer eingeblendeten Anzeige wird euch angegeben in welche Richtung ihr den rechten Analogstick bewegen müsst, um mit einem Objekt zu interagieren. Die einzelnen Charaktere werden dahingegen wie gewohnt mit dem linken Analogstick gesteuert. Auch wenn die Bedienung in Bezug auf die Interaktion mit Gegenständen zu Beginn sehr unüblich erscheint, ist die überschaubare Steuerung durchaus intuitiv ausgefallen und harmoniert erstaunlich gut mit dem einzigartigen Spielprinzip von Fahrenheit. Ein weiterer Bestandteil des Spielkonzepts sind die zahlreichen Quick-Time-Events, in welchen ihr eure Reaktionsfähigkeit unter Beweis stellen müsst. Diese kommen bedauerlicherweise öfter als gewollt zum Einsatz und können den Spielfluss ungemein stören. Häufig lenken euch die teilweise sehr langatmigen Reaktionstests von der im Hintergrund parallel ablaufenden Handlung ab, sodass ihr oftmals ganze Szenen einer Zwischensequenz verpasst. Des Weiteren führen euch die monotonen Quick-Time-Events mehrfach zur Frustration, weil ihr auf Grund einer Lebensanzeige nur eine beschränkte Anzahl an Versuchen habt um eine Sequenz erfolgreich zu absolvieren. Sobald diese aufgebraucht ist, muss der komplette Abschnitt wiederholt werden. Ähnlich wie in einem Film steht euch die Möglichkeit zur Verfügung „zurückzuspulen“oder das Spiel zu „stoppen“, also entsprechend zum Titelbildschirm zurückzukehren. Dies gilt ebenfalls für eure Entscheidungen, die unterschiedliche Ereignisse auslösen. Diese beeinflussen eine Art Gefühlsanzeige, welche eingeblendet wird und – je nach Situation – die entsprechende Gefühlslage einer der drei Charaktere anzeigt. Befindet ihr euch beispielsweise inmitten eines Verhörs und beantwortet zu viele Fragen falsch, so steigt euer Stresspegel und ihr weckt den Verdacht der Täter zu sein. Die Handlung wird – wie zuvor erwähnt – einfach unterbrochen. Ein alternativer Handlungsverlauf ist nicht vorhanden, wodurch leider das Gefühl zurückbleibt, dass es nur einen richtigen Weg gibt. Es bleibt zwar im Großen und Ganzen euch überlassen welche Entscheidungen ihr trefft, führen diese allerdings zu fatalen Folgen in der Handlung, müsst ihr den letzten Abschnitt wiederholen. Dadurch geht unglücklicherweise viel vom Reiz des unverbrauchten Spielkonzepts verloren, weil somit der Verlauf der Story nur geringfügig beeinflusst werden kann.


    Filmreife Story?
    Auch wenn das Spielkonzept in Fahrenheit gewisse Lücken aufweist und sicherlich noch nicht ausgereift ist, hält euch dies nicht davon ab die durchaus interessante Story mitzuverfolgen und das Geheimnis hinter dem kuriosen Mordfall aufzudecken. Zum Großteil des Spiels werdet ihr förmlich wie in einem guten Thriller an den Bildschirm gefesselt und von der düsteren Atmosphäre mitgerissen. Grund hierfür ist vor allen Dingen der orchestrale Soundtrack, welcher die Handlung dramaturgisch gestaltet und an passenden Stellen Spannung erzeugt. Jedoch trifft dies wie erwähnt nicht auf die gesamte Story zu, denn insbesondere gegen Ende von Fahrenheit nimmt der Verlauf der Handlung schlagartig ab und konfrontiert euch nahezu ausschließlich mit absurden Geschehnissen. Anspielungen auf den Spielfilm The Matrix sind kaum zu übersehen, überspitzt dargestellte Actionszenen wirken unglaubwürdig und fragwürdige Charakterentwicklungen lassen die Persönlichkeiten der spielbaren Charaktere zunehmend verblassen. Auch das sehr skurrile und abrupte Ende lässt viele Fragen offen und lässt euch an der Glaubwürdigkeit der Story zweifeln. So fesselnd die Story grundsätzlich auch ist, bleibt dennoch angesichts der vielen unerklärlichen Ereignisse das Gefühl zurück, dass einige Elemente zusammenhangslos in die Handlung eingebunden worden sind.


    Fazit
    Quantic Dream hat mit Fahrenheit ein Adventure mit originellen Spielkonzept entwickelt und deutlich gezeigt, dass Videospiele und Filme miteinander harmonieren können. Zu Spielbeginn werden jedoch viele Versprechen gemacht, welche im Nachhinein leider nicht eingehalten werden. Die monotonen Quick-Time-Events treten zu häufig auf, der Spielfluss wird auf Grund der Lebensanzeige gestört und auch das interaktive Eingreifen in die Handlung beeinflusst den Verlauf der Story nur geringfügig, sodass viel vom Reiz des Spielkonzepts verloren geht. Dennoch sind die unterschiedlichen Kameraperspektiven lobenswert und auch die Nutzung des Splitscreens zur Darstellung parallel ablaufender Handlungen wurde filmreif umgesetzt. Sieht man zudem von den absurden Ereignissen gegen Ende der Story ab, kann auch diese durchaus überzeugen und wird euch für 6 - 8 Stunden an den Bildschirm fesseln. Dieses außergewöhnliche Adventure ist ein einzigartiges Erlebnis und ist auch trotz seiner Schwächen definitiv einen Spieldurchgang wert.


    [progressbar=79]Wertung[/progressbar]


    [infobox]Getestete Version: Playstation 2[/infobox]