[PS3] Beyond: Two Souls

  • Das Adventure Fahrenheit hat es 2005 vorgemacht und fünf Jahre später wurde es mit Heavy Rain verbessert: Das Genre des interaktiven Films. Quantic Dream hat mit den genannten Titeln zwei neuartige Adventures entwickelt und kann nun mit Beyond: Two Souls ein weiteres Spiel dieses Genres zu seinem Portfolio zählen. Behandelt wird ein spiritueller Thriller im fiktiven Amerika rund um Jodie Holmes und ihren übernatürlichen Begleiter.


    Eine Person, zwei Seelen
    Jodie Holmes ist kein gewöhnliches Mädchen: Nachdem sie bei ihren Adoptiveltern aufwuchs, wird sie bereits in jungen Jahren an die Behörde für paranormale Aktivitäten, dem sogenannten DPA übergeben; und das nicht ohne Grund: Seit ihrer Geburt steht sie in Verbindung mit einem übernatürlichem Wesen namens Aiden. Isoliert von der Außenwelt, wird Jodie von den beiden Wissenschaftlern Nathan Dawkins und Cole Freeman unter ihre Fittiche genommen, welche durch Experimente das Verhalten der übersinnlichen zweiten Hälfte von Jodie untersuchen sollen. Schnell wird deutlich: Die junge Protagonistin hat nur indirekten Einfluss auf Aiden, denn dieser handelt oftmals nach seinem eigenen Willen, was zu zahlreichen, mehr oder weniger schwerwiegenden Konflikten führt. Sei es eine Geburtstagsparty oder ein Treffen mit einem Freund: Sobald Jodie's geistlicher Begleiter eingreift, kann selbst eine harmlose Feier ein chaotisches Ende finden. Umgekehrt hilft dieser dem jungen Mädchen nicht selten aus scheinbar ausweglosen Situationen, wie beispielsweise bei der Flucht aus einem brennenden Gebäude. Es entwickelt sich eine komplizierte Beziehung zwischen Aiden und Jodie, welche gemischte Gefühle auslöst und die Protagonisten vor die Frage stellt, ob sie unter diesen Umständen jemals ein normales Leben führen kann.


    Interaktiver Sci-Fi-Thriller
    In zahlreichen Kapiteln erlebt ihr die Geschichte von Beyond: Two Souls und begleitet Jodie von Kindes- bis ins Erwachsenenalter auf ihrem ungewöhnlichen Lebensweg. Die einzelnen Kapitelbezeichnungen werden hierbei auf einem Zeitstrahl eingetragen, welcher vor Beginn einer jeden Episode während der Ladezeit eingeblendet wird. Dieser dient allerdings nicht ausschließlich zum Ausschmücken des Ladebildschirms, sondern vielmehr zur Orientierung, in welchem Lebensabschnitt der Hauptperson ihr euch befindet. Die Handlung wird nämlich – vergleichbar mit Filmen wie Memento oder Pulp Fiction – in nicht chronologischer Reihenfolge erzählt. Beispielsweise erlebt ihr in einem Augenblick Jodie als rebellische Teenagerin und werdet im nächsten Kapitel plötzlich mit einem vollkommen anderem Szenario konfrontiert, in welchem ihr die frühen Jahre der Hauptakteurin nachspielt. Die regelmäßigen Zeitsprünge erschweren gerade anfangs den Einstieg in die Geschichte und sorgen in den ersten Spielstunden nicht selten für Verwirrung. Habt ihr euch allerdings erst einmal in die gewagte Erzählstruktur eingefunden, lässt euch die interessante Story nicht mehr so schnell los – denn wie man es bereits von den Vorgängertiteln gewohnt war, präsentieren die Entwickler von Quantic Dream auch mit ihrem neuesten Werk einen spannenden Thriller. Und das sollte wortwörtlich genommen werden, denn Beyond: Two Souls orientiert sich noch stärker an Filmen, als es schon die beiden Vorreiter taten. Entsprechend wirkt der Titel vielmehr wie ein Film als ein Videospiel, was allerdings nicht zwingend negativ gesehen werden muss – abhängig von der eigenen Erwartungshaltung.


    Das Spielkonzept hat sich im Gegensatz zu Fahrenheit oder Heavy Rain nicht sonderlich verändert. Wer sich also bereits mit den beiden genannten Titeln beschäftigt hat, wird auch in Beyond: Two Souls schnell seinen Einstieg ins Spiel finden. Dieses setzt nach wie vor auf dasselbe Prinzip: In den einzelnen Kapiteln habt ihr die Möglichkeit interaktiv ins Geschehen einzugreifen und frei nach euren Entscheidungen zu handeln. Redet ihr beispielsweise mit einer Person, könnt ihr anschließend wählen, wie oder was ihr antwortet bzw. fragt. Die Auswahlmöglichkeiten werden meist in nur einem Wort beschrieben und mit der entsprechenden Taste zum Auswählen eingeblendet. Natürlich spielt das Treffen von Entscheidungen nicht nur in Gesprächen eine zentrale Rolle. Ebenfalls ist es eure Aufgabe mit den verschiedensten Objekten zu interagieren und sinnvoll zu handeln. Hierbei sind zwar nur wenige Gegenstände wirklich relevant, um in einem neuen Abschnitt voranzukommen, jedoch wirkt die gesamte Spielwelt deutlich belebter auf Grund dieser Vielzahl an Interaktionsmöglichkeiten. Die Steuerung ist wie gewohnt intuitiv und beschränkt sich weitestgehend auf den rechten Analogstick. Im Gegensatz zu Heavy Rain sind die Anzeigen zur Interaktion allerdings noch minimalistischer ausgefallen und werden lediglich durch einen weißen Punkt gekennzeichnet. Richtungspfeile oder Ähnliches sind nicht mehr vorhanden, sodass ihr beispielsweise selbst entscheiden müsst, in welche Richtung es sinnvoll ist, eine Tür zu öffnen. Ein weiterer Gameplay-Aspekt ist von Aiden Gebrauch zu machen – aber nicht zwingend zu Jodies Vorteil. Das bedeutet: Ihr entscheidet auch in dieser Hinsicht, wie ihr die Fähigkeiten von Aiden ausnutzt. Diese reichen von der Interaktion mit Gegenständen bis hin zur Manipulation von Personen. Durch den regelmäßigen Wechsel zwischen Jodie und ihren übernatürlichen Begleiter wurden somit kleinere Rätseleinlagen eingebaut, welche nicht sonderlich anspruchsvoll sind, allerdings immer wieder für Abwechslung sorgen. Die Bedienung von Aiden fällt allerdings nicht ganz einfach aus, da ihr das spirituelle Wesen in Form einer frei bewegbaren Kamera steuert. Das macht von der optischen Erscheinung durchaus Sinn, jedoch verliert man schnell mal die Orientierung in hektischen Situationen. Optional hat auch ein zweiter Spieler die Möglichkeit die Rolle des Geistes zu übernehmen.


    Am Spielprinzip wurden also weitestgehend keine großen Veränderungen vorgenommen, allerdings haben die Entwickler einen Rückschritt zum Vorgänger gemacht: Wo in Heavy Rain falsche Entscheidungen fatale Folgen haben und den Charakteren das Leben kosten konnten, ist dies in Quantic Dreams neuestem Werk nicht mehr der Fall. Innerhalb der Abschnitte wird dem Spieler zwar eine große Entscheidungsfreiheit geboten, trotzdem ist der Ausgang einer Situation in den meisten Fällen vorbestimmt. Alles verläuft im Prinzip in einem Knotenpunkt, unabhängig davon, wie ihr euch entscheidet. An einigen Stellen fällt dieser Mangel besonders auf und führt sogar zu einigen Lücken im Drehbuch, sodass einige Ereignisse fragwürdig erscheinen. Dennoch gibt es mehrere Enden zu sehen, wobei diese nur von den letzten Spielstunden bestimmt werden. Hier hätte man sich definitiv mehr zutrauen können bzw. am Vorgänger orientieren sollen, um eine größere Anspannung beim Spieler zu erzeugen.


    Filmreife Präsentation
    Diese Einschränkung ändert aber nichts an der gesamten Inszenierung dieses interaktiven Erlebnisses. Gameplay sowie Zwischensequenzen gehen flüssig ineinander über und zeigen sich auch in technischer Hinsicht von ihrer besten Seite. Beyond: Two Souls gehört aktuell mit Abstand zu den optisch schönsten sowie am besten inszenierten Spielen auf der Playstation 3. Noch lobenswerter sind allerdings die gesamten Charaktere des Spiels. Insbesondere sind die Protagonistin sowie die beiden "Ersatzeltern" Nathan Dawkins und Cole Freeman hervorzuheben. Letztere wachsen dem Spieler im Laufe der Handlung immer weiter ans Herz und zaubern euch viele Male ein Lächeln ins Gesicht. Emotionen werden allein schon durch die sehr verschiedenen Persönlichkeiten der Charaktere nahezu perfekt transportiert. Sei es Wut, Trauer oder Mitgefühl: Auf Grund von aufwändigem Motion Capturing werden Gestik und Mimik der Personen glaubwürdig verkörpert. Besonders Jodie hat oftmals mit ihren Emotionen zu kämpfen und wird durch die schauspielerische Leistung von Ellen Page (bekannt durch Filme wie Juno oder Inception) überzeugend dargestellt. In Bezug auf die Inszenierung lässt sich schlussendlich nur noch sagen: Ganz großes Kino – und das im wahrsten Sinne des Wortes.


    Fazit
    Quantic Dream hat es mit Beyond: Two Souls ein weiteres Mal geschafft, einen emotionalen interaktiven Film zu entwickeln, der euch für gut zehn Stunden an die "Flimmerkiste" fesseln wird. Der Sci-Fi-Thriller kann mit einer ungewöhnlichen Erzählstruktur punkten und behandelt eine interessante Thematik rund um übernatürliche Wesen und die Auseinandersetzung mit dem Tod. Auf Grund einer Einschränkung im Spielkonzept kann der Titel nicht ganz an seinen Vorgänger anknüpfen, weiß allerdings um so mehr mit seinen glaubwürdigen Charakteren und der cineastischen Inszenierung zu überzeugen. Wer sich von dem simplen Gameplay nicht abschrecken lässt, mit Heavy Rain etwas anzufangen weiß oder eine spannende Geschichte miterleben will, sollte sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen.


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